Strukturen in Fleischindustrie und Paketbranche fördern Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit

Neue Publikation der Servicestelle gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel analysiert Anzeichen auf Ausbeutung und Zwang und gibt Handlungsempfehlungen zu Prävention, Bekämpfung und Opferschutz

Die vorliegende Publikation „Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung verhindern – Branchenspezifische Analyse/Anzeichen erkennen und handeln“ untersucht, welche Anzeichen für die Straftaten „Zwangsarbeit“ (232b StGB) und „Ausbeutung der Arbeitskraft“ (233 StGB) in der Fleischindustrie und in der Paketbranche regelmäßig auftreten. Im Gegensatz zur Sklaverei benötigt die Zwangsarbeit von heute keine Ketten. Es genügt ein subtiles System von Täuschung bei der Anwerbung, Ausnutzen wirtschaftlicher Notlagen, Druck durch ausbleibende Lohnzahlungen oder Drohungen, aber auch Gewalt, Überwachung und Einsperren.

Hohe Infektionszahlen in deutschen Schlachtbetrieben haben die Aufmerksamkeit auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen der zumeist osteuropäischen Arbeitnehmer*innen gelenkt. Auch in einigen Paket- oder Logistikzentren gab es eine erhöhte Zahl von Infektionen.

Die Erkenntnis ist nicht neu: Arbeitsbedingungen in Schlachtfabriken wurden regelmäßig öffentlich kritisiert und als “moderne Sklaverei” bezeichnet. Es handelt sich um Verstöße gegen fundamentale Rechte wie das Recht auf Freiheit und das Recht auf Gesundheit. In Deutschland gibt es seit 2016 dafür die Straftatbestände „Zwangsarbeit“ (232b StGB) und „Ausbeutung der Arbeitskraft“ (233 StGB).

Um Zwangsarbeit und Ausbeutung zu erkennen, ist ein hohes Maß an Sensibilität und Aufmerksamkeit erforderlich, sowohl bei Kontrollbehörden als auch bei unterstützenden Beratungsstellen. Die Publikation liefert eine praktisch fundierte Anleitung, um Zeichen von Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit zu erkennen, Betroffene besser zu schützen und die Täter*innen zur Rechenschaft ziehen zu können.

Die Beschäftigung in Subunternehmerketten im Rahmen von Werkverträgen ist eine wesentliche strukturelle Ursache für Mechanismen von Zwang und Ausbeutung. Werkverträge sind sowohl in der Fleischindustrie als auch in der Paketbranche ein zentrales Beschäftigungsmodell.

So wird die Verantwortung für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten abgegeben und verschleiert. Es ist zu begrüßen, dass die Politik nun den Missbrauch von Werkverträgen eindämmen will. Eine Verschärfung des Arbeitszeitgesetzes und die Garantie einer angemessenen Wohnsituation sind lange überfällig und für die Einhaltung der Arbeitsrechte unerlässlich. Auch Kontrollbehörden, Arbeitgeber*innen, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft müssen einen Beitrag dafür leisten, dass Zwangsarbeit verhindert oder wirksam bekämpft wird. Die Publikation gibt dafür konkrete Anhaltspunkte.

 

Servicestelle: Branchenspezifische Analyse – Paketdienste und Schlachtbetriebe (2020)