Erkennen
Für betroffene Personen ist es wichtig, dass ihre Situation als möglicher Fall von strafrechtlich relevanter Arbeitsausbeutung und/oder Zwangsarbeit erkannt wird. Denn mit der Aufnahme eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sind für die Betroffenen wichtige Unterstützungsleistungen verbunden.
Indizien für schwere Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit können sein:
- Extrem lange Arbeitszeiten ohne Lohn- oder zeitlichen Ausgleich
- Vorenthalten von Lohn
- Gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen
- Prekäre Unterbringung
- Unverhältnismäßig hohe Schulden müssen abgearbeitet werden
- Verweigerung von medizinischer Versorgung
Deutliche Zeichen für Zwangsarbeit sind:
- Reisedokumente werden weggenommen oder „aufbewahrt“
- Körperliche oder seelische Misshandlung
- Erpressung
- Drohung
- Einschränkung der Bewegungsfreiheit
- Einschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten
Eindeutige Zeichen für Zwangsarbeit sind jedoch selten direkt sichtbar. Zudem findet Zwangsarbeit nicht nur dann statt, wenn Menschen körperlich daran gehindert werden, ihren Arbeitsplatz oder Wohnort zu verlassen. Es gibt viele Gründe, die Menschen daran hindern, sich aus einem ausbeuterischen Arbeitsverhältnis zu befreien. Beispielsweise kann Druck durch psychische Einschüchterung und Drohungen erzeugt werden. Im Rahmen starker wirtschaftlicher Ungleichheiten, fehlender sozialer Sicherungen und eingeschränkter Migrationsmöglichkeiten finden Arbeitgeber*innen sowie Mittelspersonen viele Hebel, Menschen daran zu hindern ihre Situation zu verlassen.
Wichtige Organisationen und Einrichtungen, die im Rahmen ihrer Arbeit Anzeichen von Zwang erkennen können sind:
- Beratungsstellen für Migrant*innen zu arbeits- und sozialrechtlichen Fragen
- Finanzkontrolle Schwarzarbeit
- Arbeitsschutzbehörden
- Polizei
- Ausländerbehörden
- Jobcenter
- Gewerkschaften
Weitere Schritte bei Verdacht auf Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit oder Menschenhandel:
Werden Anzeichen von Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel erkannt, sollte zunächst der jeweilige Bedarf der betroffenen Personen festgestellt und entsprechende Unterstützungsleistungen in Gang gebracht werden. Die Betroffenen sollten zudem die Möglichkeit haben, Beratung in Anspruch zu nehmen. Beratungsstellen helfen bei der Umsetzung wichtiger Maßnahmen wie der (kurzfristigen) Sicherung von Unterkunft und Verpflegung sowie gegebenenfalls persönlicher Betreuung zur Stabilisierung der Person, wie auch bei der Durchsetzung aufenthalts- und arbeitsrechtliche und andere Ansprüche.
Für Ermittlungen gegen die Täter*innen ist es mitunter ebenfalls sehr wichtig, dass Aufenthalt und Lebensunterhalt gesichert sind um Betroffene als Zeug*innen im Strafverfahren zu gewinnen und zu halten.
Arbeitshilfen für die Praxis:
Da von Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel betroffene Personen sich i.d.R. aus verschiedenen Gründen nicht explizit als solche zu erkennen geben, müssen im Erstkontakt bzw. in mehreren Beratungsgesprächen die richtigen Fragen gestellt werden. Hierfür kann die folgende Indikatorenliste genutzt werden.
Für den Fall dass der Erstkontakt ohne Dolmetscher*innen stattfindet und sich sprachliche Verständigungsschwierigkeiten ergeben, wurde eine Visual Language Broschüre entwickelt, mit deren Hilfe wichtige Fragen und Antworten kommuniziert werden können.
Weitere Praxismaterialien finden Sie hier.